Ich, ein geduckter Riese,
Halte die faltige Hand,
Als wär‘s noch vor ihrem Haus auf der Wiese.
Erstaunlich – sie ist so sanft.
Tief gekrümmt ist ihr Rücken,
Reuiger Blick – schau mich an!
Tiefer muss ich mich bücken,
Dass ihr leiser Mund an mein Ohr reichen kann.
Einst eine aufrechte Frau,
Hatte von Gestern erzählt.
Wenn ich jetzt ihre Augen anschau‘,
Glaub ich dass ihr was fehlt.
Tief gekrümmt ist ihr Rücken,
Reuiger Blick – schau mich an!
Fest will sie mich an sich drücken,
Obwohl sie kaum noch die Kraft aufbringen kann.
Morgen endet mein Leben.
Tod ist schwer, wenn man krumm steht.
Den leichten wollt man mir nicht geben.
Ich bin schuldig – die Beichte kommt spät.
Oma, erzähl mir von früher!
Was hast du alles gesehn?
Als wärst du noch in deinem Zimmer,
Rede und ich will verstehn.
Ich, ein geduckter Riese,
Sie eine sterbende Frau.
Finde ich je meine Wege,
Wusste sie ihre genau?
Ich, ein geduckter Riese,
Halte die faltige Hand.
Und dann sagt sie plötzlich harsche Worte
Aus einem früheren Land.
Und dann spricht sie von Milch und von Kalbfleisch,
Von der Ernte von Krieg und von Tod,
Von dem Bruder, der nie mehr zurückkam
Und vom gestrigen Morgenrot.
Ich wundere mich, dass ihr die Falten ihrer Haut dennoch soviel Zärtlichkeit lassen.
Sie will mich an sich ziehen. Ich soll ihr verzeihen,
Doch ich weiß ja nicht, was alles war.
Wie soll sie mir denn erzählen, wenn sie selber nicht weiß, was geschah.
Hat sie zu beichten, hat sie was zu gestehn? Die Erinnerung zerann ja mit der Zeit.
Sie zittert ein wenig und ich, der geduckte, der sich hinabbeugt,
Fühle mich fähig, ihr alles zu verzeihen für die Bitte, sie nie zu vergessen.
im Gedenken an meine Oma