Liedtexte

Als unsre Blicke nichts mehr trafen

Fiel der Horizont ums Land

Als unsre Füße schier versanken

Trieb grenzenlos das Herz im Sand.

 

Und unser Kompass suchte weiter

Und unsre Seelen warn verlorn

Da sagten wir, wir sind zu Hause

Wir suchen nicht noch mal von vorn.

 

Wir hab‘n uns mühsam aufgerichtet

Und rammten einen Pfahl ins Land.

Und sahn auf allen Himmelswegen

Schon von weitem unser Land.

 

Wir wollten nicht im Freien schlafen

Wir wollten auch zu Hause sein.

Wir riefen Hermen sla Dermen

Unser Weltenbaum stürzt doch nicht wieder ein

 

Wir standen auf Händen im Garten

Als der Himmel verschwand

Und der Pfahl fiel auf die Erde

Als sich ein neuer König fand.

Wir riefen: „Hermen, sla dermen

Sla pipen, sla trummen,

Der Kuninc wil kummen

Met hamer un stangen,

Der Kuninc wil kumen

Wil Hermen uphangen.“

 

Wir waren einst so fest verortet

Die Postleitzahl stand eingebrannt

Neben unsrer kleinen Hütte

Sodass uns jeder Bote fand.

 

Jetzt stehen wir auf unsren Händen

Und der Kirchturm steht verkehrt

Wir sind doch nun mehr gänzlich

Ja mehr als ganz verheert.

Die Richtschnur stimmt nicht mehr

Und unser Vorrat aufgezehrt.

 

Wir standen auf Händen im Garten

Als der Himmel verschwand

Und der Pfahl fiel auf die Erde

Als sich ein neuer König fand.

Wir riefen: „Hermen, sla dermen

Sla pipen, sla trummen,

Der Kuninc wil kummen

Met hamer un stangen,

Der Kuninc wil kummen

Wil Hermen uphangen.“



Jacob Grimm

(Bildnachweis: Grimm, Jacob)

Jacob Grimm (*1785+1863)

Grimm, Jacob: Deutsche Mythologie. Göttingen: Dieterich'sche Buchhandlung, 1835.

Da Niedersachsen, vorzüglich Westfalen ein Hauptsitz des Irmincultus war, so dürfen sich wohl neben Widukinds Zeugnis von Hirmin einige Spuren seines in diesem deutschen Landstrich noch immer nicht ganz erloschnen Namens stellen. Strodtmann verzeichnet die osnabrückischen Redensarten: ›he ment, use herre gott heet Herm‹ (sei gütig, zürne nicht); ›use herr gott heet nich Herm, he heet leve herre, un weet wal to te gripen‹; darin scheint leise Sehnsucht nach der milden Herrschaft des alten heidnischen Gottes unverhalten im Gegensatz zu dem strenge richtenden und strafenden christlichen Gott. Im sächsischen Hessen (an der Diemel), im Paderbornischen, Ravensbergischen, Münsterschen, im Bistum Minden und Herzogtum Westfalen, lebt unter dem Volke folgender Reim:

Hermen, sla dermen,

sla pipen, sla trummen,

de kaiser wil kummen

met hamer un stangen

wil Hermen uphangen.

Hermen wird hier gleichsam aufgefordert kriegerisches Spiel anzustimmen, Saiten, Pfeifen, Trommeln erschallen zu lassen; der Feind nahe mit Hämmern und Stangen und wolle Hermen aufhängen. Nicht unmöglich, dass sich in diesen durch lange Tradition der Jahrhunderte gegangenen, entstellten Worten Überreste eines Liedes erhalten haben, das zu der Zeit erscholl als Karl die Irmenseule zerstörte. Auf den älteren Arminius und die Römer lassen sie sich weniger deuten. Das Schlagen und dieSstangen erinnern an die Sommerausträge.

Grimm: Deutsche Mythologie, Kap. XV. Irmin. Seite 329, Fußnoten und Anmerkungen habe ich zur besseren Lesbarkeit aus dem Text gelöscht, erreichbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10435144?page=244,245

Grimm legt damit nahe, dass die alten Sachsen mit diesem Spruch zur Mobilmachung gegen Kaiser Karl aufgerufen haben und „Hermen“ gleich „Irmin“ ist.

Gottschalk Wedel dagegen denkt, dass „Hermen“ mit „Hermann“ gleichzusetzen sei und dass das Lied auf die Varusschlacht mit Hermann (Arminius) dem Cherusker zurückgeht.

Tatsächlich behauptet Gottschalk Wedel, dass Bauern u.a. in der Gegend an der Diemel in Hessen und Westfalen dieses Lied noch kannten und gesungen haben. Er liefert sogar eine Melodie dazu, die in der Neuen Zeitschrift für Musik im Jahr 1836 abgedruckt wurde.

Der Link dazu: https://archive.org/details/NeueZeitschriftFuerMusik1836Jg3Bd5/page/n129/mode/2up

 Andreas Gryphius

(Bildnachweis: Gryphius, Andreas)

Andreas Gryphius (*1616+1664)

Gryphius, Andreas: Threnen des Vatterlandes, Anno 1636, ersch. 1643 in Leiden

WIr sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!

Der frechen Völcker Schaar / die rasende Posaun

Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun /

Hat aller Schweiß / und Fleiß / und Vorrath auffgezehret.

Die Türme stehn in Glutt / die Kirch ist umgekehret.

Das Rathauß ligt im Grauß / die Starcken sind zerhaun /

Die Jungfern sind geschänd’t / und wo wir hin nur schaun

Ist Feuer / Pest / und Tod / der Hertz und Geist durchfähret.

Hir durch die Schantz und Stadt / rinnt allzeit frisches Blutt.

Dreymal sind schon sechs Jahr / als vnser Ströme Flutt /

Von Leichen fast verstopfft / sich langsam fort gedrungen.

Doch schweig ich noch von dem / was ärger als der Tod /

Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth

Das auch der Seelen Schatz / so vielen abgezwungen.