130 Städter

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn

Fenster beieinander, Gespenster beieinander

drängend fassen Häuser sich so dicht an,

daß die Straßen, dass die Gassen

Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

Ineinander dicht hineingehakt

Sitzen in den Trams,

die zwei Fassaden Leute,

wo die Blicke eng ausladen

Und Begierde ineinander ragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,

Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.

Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle

Unberührt und ungeschaut

Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.

 


 

 


Der Text stammt von Alfred Wolfenstein (*1883+1945)

Das Beitragsbild stammt von Ernst Ludwig Kirchner (*1880+1938)