Willi Fobbe - ein kurzes Leben

10. Wilhelm Bracht

Wilhelm Bracht war der Ehemann von Maria Fobbe. Auch er musste im Zweiten Weltkrieg kämpfen. Sein Schwiegersohn hat mir weitererzählt, was Wilhelm aus dem Krieg berichtet hat.

Kriegserlebnisse

Wilhelm marschierte als Soldat der 126. rheinisch-westfälischen Infanterie-Division am 22. Juni 1941 in der Heeresgruppe Nord ausgehend von Ostpreußen durch die baltischen Staaten bis vor Leningrad. Da sich Leningrad hartnäckig verteidigte, wurde es durch deutsche Truppen und die „Blaue Division“ (spanische Soldaten bis 1943) belagert. Wilhelm war in seiner Kompanie, da er ausgebildeter Schmied war, als Waffen- und Gerätewart eingesetzt. Im Januar 1944 durchbrachen russische Truppen den Belagerungsring und trieben die deutschen Truppen zurück bis auf eine Halbinsel in der Rigaer Bucht, genannt „Kurland“. Da die russischen Truppen südlich von Kurland weiter nach Westen vorstürmten, war Kurland mit rund 500 000 Mann abgeschnitten. Hitler persönlich verbot jeden Ausbruchsversuch. Die Frontlinie verlief etwa von Priekule/Preekuln, Mažeikiai/Moscheiken, Jelgava/Mitau, Baldone/Baldohn und Lilaste. Dieser Kessel hielt sich trotz mehrerer schwerer Angriffe bis zur bedingungslosen Kapitulation am 8./9. Mai 1945.

Für die Kriegsgefangenen begann eine grausame und brutale Zeit. Sie mussten schwer arbeiten, um Kriegsschäden zu beseitigen und helfen das Land auszuplündern, da vieles Verwendbare in die Sowjetunion gebracht wurde. Auch mussten sie hungern, da sie nur unzureichend ernährt wurden. Das führte dazu, dass z.B. ein Kamerad bei Aufräumungsarbeiten einen Tierknochen fand, ihn trotz der Warnungen auskochte und die Brühe trank. Hieran starb er. Wilhelm fand auf der Erde verschütteten Zucker. Diesen löste er mit der Erde in Wasser auf, seihte die Flüssigkeit durch ein Taschentuch und teilte mit seinen Kameraden.

Dann wurden die Kriegsgefangenen in Eisenbahnwaggons getrieben und sollten nach Russland in die Kriegsgefangenschaft gebracht werden. Mit acht weiteren Kameraden  durchbrach Wilhelm die Seitenwand und sprang ab. Einer wurde wohl von den Schüssen der Wachtposten getroffen, da die übrigen nie mehr etwas von ihm gehört haben. Nun spalteten sie sich in kleinere Gruppen auf, da man so hoffte unauffälliger zu sein.

Jetzt begann der mühselige Marsch durch ein zerstörtes und teilweise feindseliges Land. Hierüber sprach Wilhelm nur wenig. Ein Problem war die Ernährung. Früchte und Beeren musste man in großen Mengen sammeln, um den Magen zu beruhigen. In einem Ort mussten sie zwei Autos für einen polnischen Bürgermeister reparieren. Das machten sie auch. Dafür bekamen sie Entlassungspapiere, handschriftlich ausgestellt auf der Rückseite deutscher Formulare. Anschließend stahlen sie dann aber eines der beiden Autos und fuhren davon. Irgendwie gelangte seine Gruppe nach Berlin. Hier bekamen sie ordentliche Entlassungspapiere. Zu Fuß und per Eisenbahn kam Wilhelm dann im Herbst 1945 nach Obermarsberg. Sein Sohn Friedhelm hatte schon einige Tage vorher begonnen, davon zu sprechen, dass sein Vater komme.

Da Männer und insbesondere Facharbeiter überall fehlten, der Wiederaufbau aber beginnen sollte, konnte er kurze Zeit später bei den Dominitwerken in Hoppeke Arbeit finden.

Wilhelm lebte vom 14. April 1908 bis zum 03. Januar 1977.

Wilhelm und Maria hatten vier Kinder. Ein Mädchen, Elisabeth, starb nach nur wenigen Monaten.

Dazu schreibt meine Tante, ihre Schwester:

Am 28.08.1953 wurde meine Schwester Elisabeth geboren. Sie war sehr krank. Ich weiß allerdings nichts genaueres darüber. Lange lag sie im Krankenhaus in Marburg. Sie kam dann wieder zu uns zurück und verstarb am 04.02.1954. Ich erinnere mich noch genau an die traurige Zeit, besonders an die Weihnachtszeit. Trotz der traurigen Geschehnisse im Leben meiner Mutter, erinnern sich besonders unsere Söhne, dass sie viele fröhliche Stunden mit ihr verbracht haben.